
C.C. Schmid
Januar 2025
Wie funktioniert ein autofreies Skigebiet
Seit ihren touristischen Anfängen setzt die Aletsch Arena auf sanfte Mobilität und Nachhaltigkeit. Nur durch jeweils eine Bergbahn sind die drei autofreien Alpdörfer Riederalp, Bettmeralp und Fiescheralp mit dem Tal verbunden.
Wer in die UNESCO-Welterbe-Region Aletsch Arena kommt, der sucht Ruhe und Ursprünglichkeit – und schätzt den Verzicht auf leidiges Parkplatzsuchen, Abgase und Staus. Oben angekommen, eröffnet sich ein weitläufiges, sonnenverwöhntes Hochplateau mit drei idyllischen Bergdörfern in bester Panoramalage. Mit imposantem Blick auf 40 Viertausender und den mächtigsten Eisstrom der Alpen. Doch das autofreie Konzept bringt nicht nur Vorteile, sondern auch Herausforderungen mit sich.



Der Gast ist fernab vom Trubel der Welt. Kein Auto weit und breit. An Komfort fehlt es den Feriengästen trotzdem nicht. Welche logistische Leistung dahinter steckt, und wie viele «stille Helfer» Sorge dafür tragen, dass der für die Region so wichtige Tourismus hier oben rund läuft, zeigt ein Blick hinter die Kulissen.
Ralph Margelisch führt die Margelisch Transporte & Getränke GmbH. Bereits vor über 40 Jahren hat sein Vater, Beat Margelisch, Transporte auf der Bettmeralp durchgeführt. Damals noch mit Pferden. Im Interview erzählen Beat und Ralph Margelisch von den logistischen Herausforderungen einer autofreien Ferienortschaft und wie sich diese im Laufe der Zeit verändert haben.
Logistik zwischen Tradition und Moderne
In den Bergen ohne Auto leben? Was sich heutzutage eher nach einem Aussteigerleben anhört, ist für Ralph Margelisch und die Bewohner des Aletschplateaus völlig normal. Er ist damit aufgewachsen. Sein Vater, Beat Margelisch, begann bereits in den 70er Jahren mit dem Gepäcktransport. Damals waren Pferde das wichtigste Transportmittel – doch bei starkem Schneefall war es für die Tiere oft unmöglich, sich durch die tiefen Massen zu bewegen. Deshalb wurde mit der Zeit auf Schneemobile und Raupenfahrzeuge umgestellt. Besonders stolz ist Beat Margelisch auf seinen orangen Schneetöff.

Ein altes Foto von Beat Margelisch und seinem orangen Schneetöff beim Wintertransport.
Heute verladen Sohn Ralph Margelisch und seine Mitarbeitenden während der Hauptreisezeit an einem Samstag bis zu 500 Gepäckstücke pro Fahrzeug. Fünf Fahrzeuge sind gleichzeitig im Einsatz. Im Sommer kommen Elektrowagen zum Einsatz, im Winter grösstenteils Traxter, Ranger und Schneemobile. Doch auch die modernen Transportmittel sorgen manchmal für Diskussionen. «Viele Gäste erwarten absolute Stille, wenn sie in einen autofreien Ort kommen. Dass aber trotzdem Verkehr in Form von Transportfahrzeugen existiert, ist für sie manchmal schwer zu verstehen», sagt Margelisch und fügt an: «Wir sind autofrei, aber leider nicht ganz verkehrsfrei.»
Wie viele Einheimische ist er dennoch froh, dass sich bis heute auf den sonnigen Hochalpen keine stinkenden Blechlawinen durch die Orte schieben. Beförderungsmittel Nummer eins – bei Einheimischen und Gästen – sind ganz klar die Ski. Egal, ob ins Restaurant oder zum Einkaufen. Und die Nachfrage steigt. Immer mehr Feriengäste suchen gezielt nach autofreien Orten, in denen sie genau die Ruhe finden, die ihnen im Alltag verloren gegangen ist.

Auf der Bettmeralp wird der Einkauf auf Skiern erledigt.
Von Pferdekutschen zur Elektromobilität
Die Transportlogistik auf der Bettmeralp hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Während früher Pferdekutschen das wichtigste Fortbewegungsmittel waren, sind heute moderne Schneemobile und Elektrofahrzeuge im Einsatz. Diese Entwicklung zeigt sich auch in einer besonderen Geste von Ralph Margelisch: Zu Weihnachten schenkte er seinem Vater Beat Margelisch einen restaurierten, orangefarbenen Schneetöff – ein Symbol der Vergangenheit. Das historische Gefährt wird nicht mehr im täglichen Betrieb genutzt, sondern dient als Erinnerungsstück an die Anfänge des Wintertransports in der Region.

Damals: Pferde kutschierten die Touristen...

...durch die autofreien Orte
Die Umstellung auf moderne Technologien schreitet indes voran. Elektrofahrzeuge werden bereits seit Langem im Sommer genutzt, und mittlerweile gibt es erste Modelle für den Winterbetrieb. «Wir möchten bei den Fahrzeugen auf dem neuesten Stand bleiben. Seit Kurzem haben wir ein Winter-Elektrofahrzeug – es ist leise und funktioniert einwandfrei. Das wird sicher die Zukunft sein.», sagt Ralph Margelisch.

Heute: Moderne Ranger - teilweise gar elektrisch betrieben - helfen beim Transport.
Das Umweltbewusstsein wächst. Die Schweiz ist hier klarer Vorreiter. Und dennoch haben auch hier autofreie Wintersportorte Seltenheitswert. In nur neun Schweizer Skigebieten bleibt das Automobil komplett draussen.
Lebensader Seilbahn: Tempo! Die Ware darf nicht gefrieren
Es ist ein Lebensmodell, das logistische Sonderleistungen erfordert: Fracht jeglicher Art wird in den Talstationen der Aletsch Arena auf Lastbarellen aufgeladen und unter die Luftseilbahnkabine gehängt. Oben an der Bergstation wird alles mit Hilfe von Staplern abgeladen und in der Güterhalle zwischengelagert, bis die örtlichen Transporteure diese mit Schneemobilen oder Pistenfahrzeugen abholen und an die Lebensmittelgeschäfte und Restaurants weiterverteilen.






Ralph Margelisch ist einer dieser Transporteure. «Wir liefern Lebensmittel morgens früh mit der ersten Bahn aus und abends, wenn die Skifahrer in ihren Unterkünften sind, um möglichst im Hintergrund zu bleiben. Die jeweiligen Liefermengen fallen immer etwas grösser aus, Sammelbestellungen sind die Regel. Geordert werden eher 40 Fässer Bier als nur drei. Das muss gut geplant sein. Viel Erfahrung und ein gutes Gespür sind hier ausschlaggebend», sagt Margelisch. Und im Winter heisst es nicht selten: Tempo! Die Ware darf nicht gefrieren. Dann muss alles besonders schnell gehen.
Trotz der Eile gibt es auch immer wieder schöne Momente. Der Snowli-Express bringt die Skischulkinder sowie die Begleitperson von Montag bis Freitag zu den verschiedenen Treffpunkten – auch da hilft Ralph Margelisch eifrig mit.

So viel Zeit muss sein: Jedes Kind wird von Ralph aus dem Fahrzeug gehoben.
Auch ungewöhnliche Transporte gehörten zum Alltag. «Bei einem plötzlichen Wintereinfall kam es auch schon vor, dass die Kühe der Alp in der Gondel ins Tal transportiert wurden», erzählt Ralph Margelisch. Nur gut, dass die Seilbahn mit ihren 1200 PS – beim Bau 1974 die grösste der Schweiz – bis heute problemlos 9,4 Tonnen Fracht heben kann. 125 Skifahrer finden hier Platz, oder eben eine Ladung Kühe.
Zwischen Idylle und Wirklichkeit
Die Aletsch Arena mit ihren autofreien Orten bleibt eine besondere Destination: autofrei eben, aber nicht ohne Herausforderungen. Die Ruhe und Ursprünglichkeit sind für viele Gäste ein Segen, doch sie verlangen gleichzeitig ein hohes Mass an logistischer Organisation. Ohne Transportfahrzeuge wäre ein reibungsloser Ablauf kaum denkbar. Die Balance zwischen Naturerlebnis und notwendiger Infrastruktur ist eine ständige Gratwanderung – doch gerade das macht die Faszination dieser einzigartigen Destination aus.
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C.C. Schmid
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